Donnerstag, 5. Februar 2015

Kann es was Schöneres geben?


Allein das Aufschreiben unseres 24-Stunden-Chaos hat mich wohl so geschwächt, dass ich erstmal `ne Woche Migräne nehmen musste. Langsam ist es besser und ich kann wieder grade aus den Augen gucken. Dafür hat die Maus sich den ersten Kita-Virus des Jahres eingefangen, den sie großzügig mit uns und allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist zu teilen gedenkt. Deshalb nutze ich mal schnell den Moment, um die nächsten Stunden unseres Familientages in die Tasten zu kloppen, bevor mich der grippale Infekt niedersteckt...

Ich hatte also beschlossen, dass meine Tochter ihr „Chilli, Chilli“ alleine mit Kuscheltieren und Weihnachts-CD im Bett verbringt, statt mit Grüffelo und mir auf der Couch. Denn - wir erinnern uns - ich wollte noch klar Schiff machen, bevor unser Besuch kommt, nämlich Sarah (4) und Linus (1) nebst ihrer Erziehungsberechtigten, meiner Freundin Sonja.

Es gibt ihn doch...
Jetzt ist das ja so eine Sache, wenn man etwas beschließt, dass die Kooperation eines Kleinkindes voraussetzt. In diesem Fall sah meine Maus die Situation etwas anders als ich und verlangte: „Lies mir den Grüffelo vor!“ „Das geht nicht, ich muss noch aufräumen!“ „Doch, das geht!“ „Nein, das geht nicht!“ „Wenn du jetzt nicht lieb bist, dann darf Sonja auch nicht zum Spielen kommen!“ „What??“ Wo hat sie das denn wieder her…

Also, was tun? Aufräumen, Obst schnippeln und Nachmittagsprogramm durchdenken WÄHREND Töchterlein im Hintergrund unablässig zürnt und wehklagt? Schon bei dem Gedanken daran, gerät mein Körper in diese typischen Stress-Schwingungen, die ich in letzter Zeit habe. Mir schwirrt der Kopf und es fühlt sich an, als sei meine Haut statisch aufgeladen. Kennt das jemand oder sollte ich mal einen Arzt konsultieren? Jedenfalls muss ein Kompromiss her. Oder noch besser: ein Anreiz!

„Schahatz, wenn du jetzt schön alleine liest und mich aufräumen lässt, dann backen wir nachher alle zusammen“, säusele ich, nur um mich im nächsten Moment zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Backen, mit drei Kids zwischen eins und vier? Mein stummes Zweifeln geht im Freudengeheul meiner Tochter unter. Ich kapituliere und laufe zum Küchenschrank, um die Backsachen zu checken. (Man sollte nichts versprechen, was man eventuell nur halten kann, wenn man vorher einen Großeinkauf macht…).

Aber – Weihnachten ist ja noch nicht allzu lange her – es ist alles da. Ich schreibe meiner Freundin Sonja kurz, worauf sie sich einstellen soll und räume endlich auf. Die Maus liegt derweil selig auf der Couch und liest ihren Grüffelo alleine. Schließlich kann sie das ganze Buch auswendig. Ich packe derweil Butter, Eier, Zucker und jede Menge Streusel auf den Tisch und danke dem Vermieter wieder einmal für unseren robusten Linoleum-Küchenboden….

Leise, laut, elefantös
Kurz nach vier klingelt es an der Tür und der Lärmpegel verzehnfacht sich schlagartig. Drei Kleinkinder könnten es dezibelmäßig locker mit einer vorbeidonnernden Elefantenherde aufnehmen. Und auch die Wohnung sieht nach zehn Minuten aus, als hätte genau diese Herde eine kleine Runde durch Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer gedreht:

Hüpfpferd Rody liegt nach einem Zusammenstoß mit dem Bobby Car hilflos auf dem Rücken. Fünf Dosen Knete sind leer und der Inhalt verteilt sich großflächig auf dem Wohnzimmerboden. Herumliegende Malstifte feiern einen bunten Reigen zwischen Sofa und Wohnzimmerschrank. Zwei Kinder streiten sich energisch um ZWEI Puppen. Warum hatte ich nochmal aufgeräumt?

Mein Mann ging kürzlich am Kindergarten vorbei und sah und hörte, wie eine der Erzieherinnen die Wichtelgruppe mit Kasernenhofstimme um die Rabatten scheuchte. Erst war ich etwas erschüttert, als er mir davon erzählte. Jetzt verstehe ich sie nicht nur, sondern nehme sie zum Vorbild: „KOMPANIE!!!“ brülle ich in den Raum: „SAMMELN IN DER KÜCHE!“ Keine Reaktion. „UND ZWAR ZACKIG.“ Immerhin, Sonja steht stramm. Der Rest ignoriert mich standhaft. „Okay“, seufze ich in Zimmerlautstärke, „wollt ihr Plätzchen oder Schokoladenkuchen backen?“

Sonjas entsetzen Blick interpretiere ich falsch. „Hast du meine Whatsapp nicht bekommen“, flüstere
Verhältnisse lernt man mit Kuchendiagramm
ich. „Doch. Aber jetzt hast du ihnen die Wahl gelassen!“ zischelt sie zurück. Au Backe! Sie hat Recht. Wenigstens habe ich jetzt schon mal alle in der Küche. „Plääätzchen!“, ruft Linus. „Schokokuchen!“, ruft meine Tochter. „NEIN, PLÄTZCHEN!“, „NEIN! SCHOKOKUCHEN!! MAMAAAA!!!“ brüllt meine Tochter, während sie theatralisch unter den Küchentisch sinkt. Die Rettung kommt schließlich von Sarah, die auch Schokokuchen will und sogar ein Einjähriger versteht, wann er verloren hat.

Der eigentliche Backvorgang verläuft dann so harmonisch, dass ich beschließe, sowas öfter zu machen. Mit Feuereifer helfen sechs kleine Hände beim Wiegen, Abmessen, Mischen und Rühren und was dabei rauskommt, sieht aus, wie ein echter Schokokuchen. Während die Kids wieder in den üblichen Spiel- und Zankmodus verfallen, freue ich mich tatsächlich mal über unseren Ofen, der die Meinung vertritt: je schneller, desto besser. Für Plätzchen braucht er fünf Minuten, für Schokokuchen 15.

Unser Schokotraum
Dick mit Kuvertüre bestrichen steht er dann auf dem Tisch. Drum herum Schälchen mit Zuckerperlen, Schokostreusel, Smarties und Gummibärchen und nochmal drum herum drei Kinder und drei Erwachsene (mein Mann ist mittlerweile auch gekommen). Wie bei dieser Konstellation zu erwarten, endet der Nachmittag mit glücklichen Kindern im hyperaktiven Zuckerrausch. Ein paar Streuseln und Gummibärchen haben es dank uns Erwachsenen doch noch auf den Kuchen geschafft. Der Rest verteilt sich in Bäuche und auf dem Fußboden.

Es ist halb sieben. Die Küche braucht einen neuen Anstrich, mein Mann sein Abendessen und ich mein Bett. Wenn da nicht noch der Interviewtermin mit dem Vorstandsvorsitzenden wäre. Ich klaube mir Smarties und Gummibärchen aus den Haaren, wasche die Schokolade von meinen Händen und überlasse meinem Mann das Chaos, um mich im Arbeitszimmer zu sammeln und  vom Mamimodus in den Journalistinnenmodus umzuschalten.

Um zehn vor sieben steht plötzlich meine Tochter in der Tür. Ich will ihr gerade erklären, dass ich keine Zeit habe, ihr etwas vorzulesen, ihr das Prinzessinnenkleid anzuziehen oder ein Wurstebrot ohne Wurst zu schmieren, da kommt sie zu mir, legt die Arme um mich und sagt: „Mama, du bist meine beste Freundin.“ Hej, denke ich: Kann es etwas Schöneres geben, als unser Familienchaos?

Wem jetzt noch genau 5 Stunden und 10 Minuten unserer Chaos-Geschichte fehlen, der hat natürlich Recht. Aber ich muss ja arbeiten. Deshalb überlasse ich das Wort und den letzten Teil des Tages jemandem, der hier genauso mit drin hängt, wie ich: meinem Mann.

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