Ich weiß nicht, ob mir jemand bewusstseinsverändernde Substanzen in den Weihnachtstee gekippt hat oder das 25stigste Lebkuchenherz mit Marmeladenfüllung irgendwie schlecht war. Jedenfalls, wenn man mich fragt, geht es hier in letzter Zeit nicht mehr mit rechten Dingen zu.
Alles begann mit einer Weihnachtsmaus. Nachdem meine Tochter
ja bereits am zweiten Weihnachtstag mit einer dicken Grippe die Segel
gestrichen hatte, war mein Nachtschlaf zwischen den Jahren empfindlich zu kurz
gekommen. Weshalb mein mich liebender Mann, generöserweise vorschlug, ich solle
meine Zelte doch mal auf der Wohnzimmercouch aufschlagen und damit ungefähr 30
Meter und zwei Türen entfernt vom nächtlichen Dauerhustenanfall meiner Tochter.
Knusper, knusper,
knäuschen…
Gesagt, getan. Ich schlief den Schlaf der Gerechten. Bis genau
1:00 Uhr. Dann hörte ich ein verdächtiges Knuspern aus der Küche. Es klang haargenau
so, als würden sich zwei Nagezähnchen in eine Umverpackung graben. Ich kenne
das Geräusch, denn ich habe einschlägige Erfahrungen mit ‚Maus in Zimmer‘, seit
ich im Jahr 2005 ein Praktikum auf dem Lerchenberg gemacht und ein Zimmer auf
einem nahegelegenen Bauernhof bewohnt habe.
Ich finde ja solcherlei Getier ganz süß, mit ihnen in einem
Raum nächtigen möchte ich aber eher weniger. Also schnappte ich mir mein Kindle
und leuchtete unauffällig in die Küche, um den Verursacher des Geknurpses in
Flagranti zu erwischen. Das Geräusch verstummte. Ich machte das Deckenlicht an
und ging auf Spurensuche. Nichts! Also schob ich das Intermezzo auf einen meiner
Schlafwandelanfälle und legte mich wieder hin.
Bis drei Uhr. Da knabberte es wieder. Und zwar unter dem
Weihnachtsbaum. Diesmal hörte es sich an, wie Nagezähnchen in Karton. Ich war
zu erschöpft und dämmerte spontan wieder weg. Bis Viertel nach drei. Da hörte
ich: Nagezähne in Holz. Emsig! Und zwar ungefähr einen Meter von mir entfernt. Direkt
unter dem Wohnzimmertisch. Sobald ich mich bewegte, hörte es auf.
Nun hätte ich das Geheimnis an dieser Stelle wohl lüften
können, hätte mich nicht eine völlig irrationale - sicherlich der Übermüdung
geschuldete - Panik ergriffen, unter dem Tisch könne sich KEINE Maus, sondern
eine Beutelratte, ein mutierter Holzwurm oder gar eine mit ihren riesigen
Mahlzähnen holzschnitzelnde Monsterspinne verstecken. Ich tat also das einzig
Vernünftige: Ich ergriff die Flucht und zog ins Kinderbett meiner Tochter um.
Tür zu! Fertig! Dachte ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch.
Ein(e) Fall(e) und
keine Lö/osung
Ich schlief die restliche Nacht wie ein Stein und fuhr am
nächsten Vormittag – es war der 30. Dezember -
gleich zum Baumarkt, um eine Lebendfalle zu kaufen. Nur für was? ‚Wenn
es eine Beutelratte ist, reicht eine Mausefalle nicht. Und gibt es Lebendfallen
für Säbelzahnspinnen??? Was tut man da rein? Einen Finger?‘, sinnierte ich vor
mich hin, bevor ich dann etwas verwirrt doch nach der Mausefalle griff.
Dann rief ich die Experten in Sachen Nagetierfang an. Meine
Eltern. 35 Jahre Erfahrung machen klug. „Für Mäuse muss man ein Brot dick mit
Nutella beschmieren“, hörte ich. Da können die nicht widerstehen. ‚Das kenne
ich von unserer Maus auch‘, dachte ich, und kaufte die etwas billigere Variante
beim Aldi. Vielleicht war das der Fehler.
„Gibt es eine Losung?“, hatten meine Eltern noch gefragt,
als ich meine Zweifel an der konkreten Form des Tieres offenbarte. „Eine
Losung? Ihr meint so wie ‚Maus verschwinde aus diesem Haus!!!‘ Nein. Würde ich
eine kennen, bräuchte ich ja keine Falle.“ Es ginge um die Ausscheidungen wurde
ich belehrt. Außerdem könne ich nachts einen Apfel auslegen und einen Teller
mit Mehl bestäuben. „Mäuse sind neugierig! Ist eine da, wirst du auf jeden Fall
Spuren darauf finden.“
Mit einem spitzen
Schrei sprang ich aus dem Bett
Ich bereitete alles für die Nacht vor. Die Falle ließ ich
nochmal weg, in der Angst, eine Beutelratte könnte sich in der zu kleinen
Lebendfalle verfangen. Ich weiß, wie sich sowas anfühlt. Wenn ich nach
Weihnachten meine Alltags-Jeans wieder anziehe, hat es einen ähnlichen Effekt
bis ungefähr nach der Fastenzeit. Das kann man keinem antun.
Aus persönlichen Gründen verbrachte ich die folgende Nacht
gleich im Kinderzimmer und konnte nicht einschlafen, weil Töchterchen nebenan
die Tonleiter rauf und runter bellte. Pünktlich um eins war es dann soweit.
Unter das Husten aus dem Schlafzimmer mischte sich ein zartes Knuspergeräusch
aus der Küche. ‚Aha‘, dachte ich, ‚morgen sehe ich, welcher Gestalt du bist‘,
und drehte mich entspannt zur Wand. Für etwa 10 Sekunden. Dann knusperte es
gleich neben dem Bett - unter der Fensterbank.
Mit einem spitzen Schrei sprang ich auf und stürzte ich mit
Decke und Kissen ins Schlafzimmer, um freiwillig den Nachtdienst anzutreten. ‚Immerhin‘
dachte ich, ‚das Bellen wird das ominöse Tier, das unter geschlossenen
Zimmertüren hindurchpasst (!) bestimmt abhalten.‘ Mein Mann schleppte sich ins
Kinderzimmer. Ließ sich mit - wie immer verstöpselten Ohren - auf dem
Kinderbett nieder und wachte morgens mit einem „Ich hab nix gehört!“ auf. Na
danke.
Der Mehlteller war unangetastet, die Apfelhälfte verschmäht,
eine Losung auch heute nicht zu finden. Na warte! „Heute Abend bist du fällig,
egal wer oder was du bist!“, rief ich provozierend ins Wohnzimmer hinein. Und
während es am Silvesterabend langsam dämmerte überlegte ich kurz, ob es sich
vielleicht um den Geist einer Maus handeln könnte. Einer Maus, die schon vor
vielen Jahrzehnten in dieser Wohnung zu Tode gekommen war und sich nun, da wir
bald ausziehen, nicht mehr an ihren Ehrenkodex gebunden fühlt.
Der Wind, der Wind,
das himmlische Kind
„Ich glaube, ich werde ein bisschen verrückt!“, gestand ich
meinem Mann, der vielsagend seine Mundwinkel kräuselte, aber dennoch brav die
Lebendfalle bestückte. Brot und Nuss-Nougat-Creme satt. Aus Schaden klug
geworden nächtigte ich nach dem Feuerwerk gleich mit Töchterlein im Schlafzimmer. Die
Balkontür stand auf - wie immer, wenn sie hustet. Der Rollladen war genau so weit
hinuntergelassen, dass eine zur Einsicht gekommene Maus (oder deren Gerippe)
hinausgelangen könnte, Tiere von draußen sich aber keinesfalls eingeladen
fühlen sollten.
In der Nacht hört ich im Schlafzimmer Geräusche. Kein
Knabbern und Knarzen. Eher ein Rascheln und Huschen. Der Wind zerrte am
Rollladen. Oder war es ein agiles Bündel mit oder ohne Fell, das mit Vehemenz
dagegen bollerte, um in die Freiheit zu gelangen. „Was ist das hier? Blairwitch
Projekt???“, zitterte ich und zog mir die Decke über den Kopf.
Seither sind weitere Nächte vergangen, weitere
Äpfel unangetastet, das Mehl im Müll, die Falle leer. Aber irgendetwas bringt mich um
den Schlaf! Pienzt mich, ärgert mich! Immer in der ersten Nachthälfte. Heute
Nacht, ich schlief todesmutig wieder mal im Kinderzimmer, sprang ich plötzlich
auf. Ich hatte es gesehen, das Wesen. Keine Spinne, keine Beutelratte, keine
Maus. Äh, also doch. Quasi! Eine Fledermaus, die meinen Kopf umkreiste und mich und meinen panischem Puls aus dem Bett trieb. Als ich den Lichtschalter fand, sah
ich sie. Sie hockte oben im schaukelnden Kinder-Netzregal von Ikea und blickte
mit spöttischen Teddyaugen auf mich herab…
Bis heute wusste ich nicht, ob diese Geschichte noch einmal ein Ende und ich zu meinem Nachtschlaf zurück finden würde. Aber letztlich hat meine Tochter hat den Bann gebrochen! Gemeinsam mit den Großeltern kam sie heute Nachmittag zur Tür hinein, pfefferte die Winterschuhe von den Füßen, fegte um die Küchenecke und "zack" mit dem dicken Zeh in die Falle. Ein paar Tränen des Erschreckens bei ihr, ein paar herzliche Lachtränen bei uns und dann die erleichterte Erkenntnis: Endlich habe ich nun doch eine Maus gefangen!
Eure Nachbarin
Also... War es doch nur der Eierlikör schuld?
AntwortenLöschenIch hoffe es mittlerweile fast. Jedenfalls wäre mir alles lieber, als die Kreatur im Haus gehabt zu haben, die gestern im Hof die Elster erlegt hat. Sah aus wie ein Ritualmord: die Flügel unangetastet und ausgebreitet, der Rest fehlte. Unschön sowas...
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