In Sport war
ich schon immer eine Niete. Kartoffelsack am Reck, Ersatzbank beim Völkerball.
Und Sprint? „Langsamer kannst du eigentlich nur noch sein, wenn du rückwärts
läufst“, meinte mein Sportlehrer bei den Bundesjugendspielen `91. Es ist mir
einfach nicht gegeben. Beim Singen kann ich den Ton halten, beim Malen erkennt
man, was es sein soll, beim Speerwerfen eben nicht: „Ich glaube, hier liegt
eine motorische Behinderung vor.“ (Besorgter O-Ton vom gleichen Sportlehrer).
Die traumatischen
Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend haben dazu geführt, dass ich heute noch
ein extremer Sportmuffel bin und mich nur im Notfall bewege. Zum Beispiel, wenn
meine kleine Tochter mit wehenden Haaren vom Spielplatzgelände Richtung
starkbefahrene Hauptstraße rennt. Aber selbst eine einfahrende Bahn kann mich
nicht dazu bringen, meinen Schritt zu beschleunigen. Da warte ich lieber eine
halbe Stunde auf die nächste.
Ich hab Rücken
Addiert mit
meinem Schreibtischtäterjob ergibt meine geckogleiche Reglosigkeit das folgende
Ergebnis: Meine vielbejammerten 42+, Zellulite sogar an den Oberarmen und ich
habe RÜCKEN! „Das war ja zu erwarten“, höre ich im Geiste meinen Sportlehrer
spotten. Jetzt ist Rücken eine Sache, Migräne eine andere. Und da ersteres derzeit
immer wieder zu letzterem führt, bleibt mir keine Wahl: Ich. Muss. Mich.
Bewegen. (Egal, wie es aussieht)
„Wir leben
hier in einem Joggerparadies“, sagt mein Mann und meint die 300 Meter, die wir
von den Rheinanlagen entfernt wohnen. „Schwing die Hufe!“ Und eine Freundin erzählt:
„Ich war früher genauso unsportlich und dann habe ich mit dem Laufen
angefangen. Ein Jahr später bin ich einen Marathon gelaufen.“ Hm, auch mein
Vater ist früher Marathon gelaufen. Dann muss ich das doch quasi im Blut haben.
Ich begebe mich
also in die nächste Sportabteilung und erstehe wichtig aussehende Laufschuhe,
die auf hundert Euro runtergesetzt sind. „Der Preis motiviert mich jetzt noch
mehr, auch wirklich anzufangen“, sage ich zu meinem kopfschüttelnden Mann. „Das
hat der Fitnessstudiobeitrag auch nie geschafft“, meint er lapidar. „Du musst
es wirklich wollen. Und denk dran, alles was man 21 Mal gemacht hat, wird zur
Gewohnheit.“ Schlaumeier.
Morgenstund‘ hat Sport im Mund
Ich nutze
also die frühe Morgenstunde, kleide mich in Pyjamahose und T-Shirt (für ein Laufdress
hat das Geld nicht mehr gereicht) und stehe schließlich vor meiner Tochter, die
große Augen macht. „Wow“, sagt mein Mann aus dem Hintergrund, „du siehst ja
richtig sportlich aus!“ Na, dann kann ich ja hierbleiben, denke ich und will
mich gerade aufs Sofa schmeißen, als ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich
mich an den eigentlichen Grund meiner Ambitionen erinnert.
Also los,
sage ich mir und ziehe schnellen Schrittes Richtung Rhein davon. Dass ich tatsächlich
jogge, kann am ersten Tag nun wirklich niemand erwarten. Am Fluss empfängt mich
eine Nebelwand und ich bin dankbar: So erkennen mich wenigstens die Nachbarn
nicht, die da unten ihre Hunde ausführen. In zügigem Tempo geht es Richtung
Süden, Ziel ist der hintere Spielplatz mit dem Trampolin. Da möchte ich ein
bisschen hüpfen.
Ich lasse
die Schultern kreisen und so langsam wird mir sogar warm. Das läuft doch
großartig, denke ich, als ich in der Ferne den Spielplatz sehe. Dann könnte ich
vielleicht doch mal versuchen zu laufen. Locker falle ich in den Trab. Hm, das
fühlt sich jetzt aber nicht mehr so lustig an. Egal, die zweihundert Meter bis
zum Trampolin muss ich jetzt schaffen. Mein Atem geht stoßweise, erstes
Seitenstechen stellt sich ein. Kurz einatmen, laaaange ausatmen.
Locker flockig?
Mit jedem
Schritt vertieft sich meine Gesichtsfarbe, während ich dampflockmäßig den Weg
entlangrattere. Eine Kolonie Kaninchen zieht rechts an mir vorbei, weiter
hinten sitzen zwei Eichhörnchen mit einem Defibrillator am Wegesrand. Sehe ich
so schlimm aus? Mein Sportlehrer hat beim Joggen immer gesagt: „Wenn das
Gesicht tiefrot anläuft und sich um den Mund herum ein weißes Dreieck bildet,
ist man überlastet.“ Ein Selfie mit dem Handy gibt mir Gewissheit: Ich sehe aus
wie ein leuchtendes „Vorfahrt achten“-Schild!
Die letzten
Meter zum Trampolin lege ich lieber wieder im Schritt zurück. Schwer atmend
lasse ich mich auf die daneben stehende Bank fallen. Mal aufs Handy gucken, wie
lange ich schon unterwegs bin. Cool! 15 Minuten. Das ist ja schon die halbe
Zeit. Nur grade mal meine Mails checken… Eine Viertelstunde später erhebe ich
mich leicht angefroren, um den Rückweg anzutreten. Fürs Trampolinspringen habe
ich keine Zeit mehr. Ich muss schließlich auch mal arbeiten und kann nicht den
ganzen Tag Sport machen.
Als ich einige
Zeit später unsere Straße entlangwalke, kommt mir mein Mann entgegen. „Super“,
sagt er anerkennend, „du warst ja richtig lange unterwegs! Und du siehst aus,
als wärst du wirklich gejoggt!“ - „Ja, was denkst du denn?“ sage ich leichthin,
als ich Kusshändchen werfend an ihm vorbeiziehe. So ein bisschen Sport am
Morgen tut doch richtig gut. Darauf erstmal einen Kakao und ein Nutellabrot!
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