Nur wenn es um Heidis XS-Mädels geht, setze ich mich einmal
im Jahr durch! Schon aus gesundheitlichen Gründen: Eine Staffel „Germany’s Next
Topmodel“ motiviert mich zu etwa drei Wochen Schlankheitskur. Und zum Kauf
eines Marken-Mascaras, den ich nach einmaliger Benutzung sofort in der
Schublade versenke, weil ich eigentlich seit Jahr und Tag meiner geliebten
No-Name-Wimperntusche treu bin und bisher definitiv nichts Besseres gefunden
habe.
Seit ich mit der Aufzucht eines Kleinkindes beschäftigt bin,
haben meine Ambitionen für die Schönheit zu leiden, beträchtlich abgenommen.
Ich hab auch so schon genug am Hals. Bequem muss es sein, kleinen klebrigen
Kinderhändchen muss es trotzen und trocknergeeignet wäre auch nicht schlecht.
Also Jeans. Die habe ich mittlerweile in allen Größen von 36 (Fehlkauf) über 38
(jaha, das waren noch Zeiten) und 40 (Schwangerschaft) bis 42 (Bewegungsmuffel,
Schokoaddict).
Spieglein, Spieglein
Langsam wird auch das zu eng. Beim Hinsetzen knarzt es
mittlerweile verdächtig im Gewebe – also im Jeansgewebe und GNTM noch so lange
hin. Deshalb muss ich etwas tun, was ich wirklich nur mache, wenn es nicht
anders geht: Ich muss Hosen shoppen! Für jemanden wie mich, deren Hüfte
eindeutig der breiteste Körperteil ist, in etwa so spaßig, wie eine
Wurzelbehandlung beim Zahnarzt.
Selbst meine - wirklich wunderschöne - Freundin Claudia meinte
kürzlich: „Wenn ich in der Umkleide stehe, gucke ich niemals in den Spiegel,
das tue ich mir nicht an.“ Sollte ich vielleicht auch lassen, denn anders als
die Wurzelbehandlung hat Hosenkaufen zusätzlich einen überaus nachteiligen Effekt
auf mein Selbstbewusstsein…
Hier mal ein Aufruf: Liebe Umkleidekabinen-Designer! Wir brauchen
mehr Licht!!! Wie kommt ihr darauf, dass Schummer-Leuchten den unbekleideten
Körper eines Menschen jenseits der 35 besser aussehen lassen? Gedämpftes Licht
erzeugt Schatten an Stellen, an denen man als Frau seit der Erfindung der
Cellulite keine Schatten mehr sehen möchte. Grelles Licht macht vielleicht
blass um die Nase, aber es lässt Hügel und Täler verschwinden. Zumindest wenn
man nicht so genau hinsieht.
In der Umkleidekabine
Bis die Beleuchtung in Umkleidekabinen angepasst ist, mache
ich es also wie meine Freundin - ich schaue nicht mehr hin. Was dem Hosenkaufen
eine weitere unerträgliche Komponente hinzufügt, denn: Ich muss meinen Mann
mitnehmen. Wer soll denn sonst gucken, ob die Hose einigermaßen sitzt? Nein,
nichts gegen meinen Mann, er gibt sich wirklich Mühe. Aber wenn ich ihn
mitnehme, muss ich auch meine Tochter mitnehmen. Und das, liebe Freunde,
wünscht man wirklich niemandem.
Wir also an einem sonnigen Samstagmorgen mit einer schlecht
gelaunten Dreijährigen in der Bonner Innenstadt: „Ich wollte nicht einkaufen,
ich wollte zu den Hirschen!“ – „Schatz, ich brauche neue Hosen, wir gehen
später zum Wildgehege.“ „Du kannst doch alleine einkaufen und Papa geht mit mir
vor?“ Hmm, wie erkläre ich ihr das jetzt?? „Der Papa muss der Mama helfen, weil
sie doch so einen großen Popo hat“, springt mein Mann hilfreich ein und weicht
feixend meinem bösen Blick aus. Meine Tochter gibt sich mit dieser Erklärung
prompt zufrieden. Hmmm…
Eine Stunde später stehe ich schweißgebadet in der Kaufhof-Umkleide.
Meinem Mann ist das Feixen vergangen. „Wenn du mir nicht vertraust, kannst du
genauso gut alleine shoppen gehen“, motzt er nicht ganz unberechtigt und zeigt
anklagend auf den von mir verworfenen Jeansstapel. „Wie soll ich dir vertrauen,
wenn du Hüftjeans, die aus leichten Rundungen monströse Ausbuchtungen machen,
für sexy hältst?“ meckere ich zurück. (So ganz hatte ich dem Blick in den
Spiegel dann doch nicht ausweichen können). „Ich will jetzt endlich Hirsche!“
höre ich zum 35sten Mal meine Tochter vor der Umkleide jammern.
Größe 38!
Ein genervtes Grunzen aus der Nachbarkabine gibt mir den
Rest und ich entscheide mich, das Experiment abzublasen. Erleichtert ziehen
Mann und Tochter von dannen, um Rolltreppe zu fahren, während ich desillusioniert
mit meinen Jeans aus der Kabine wanke. Da sehe ich ihn plötzlich: Er hängt auf
der Stange der zurückgelassenen Kleidungsstücke unterhalb des Fachs, in das ich
jetzt eilig meine Jeans stopfe und strahlt mich an. Dieser eine Rock, nur für
mich gemacht, wohl ein Überbleibsel aus der Sommerkollektion, verschiedene
Türkistöne, zartes Muster, ein Traum. Hatte nicht meine Typberaterin einst
gesagt, ich solle auf Romantik setzen? Ich gucke auf die Größe: 38!
Wenn der jetzt passt, dann steige ich auf Röcke um, schwöre
ich mir, als ich nach einem kurzen Blick Richtung Rolltreppe (alles ruhig) in
die Kabine zurückeile. Weich fließt der Stoff an meinem Körper entlang und tut
so, als hätte ich überhaupt keine Hüften. Der Reißverschluss lässt sich
problemlos schließen, denn der einzige Vorteil der Birnenfigur ist eine schmale
Taille. Klebrige Kinderhändchen, praktische Klamotten und potentiell kalte
Winter sind vergessen. „Ich passe in 38“, jubiliere ich, als ich zur Kasse
schwebe und mich dabei auf wundersame Weise zehn Kilo leichter und hundert
Prozent weiblicher fühle. Darauf ein Sektchen und eine Staffel „Sex and the
City“!
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